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Werbung lügt!

(Autor: Brian Barth)

Werbung versinnbildlicht wie kaum ein anderes Medium unsere leistungsorientierte Gesellschaft. Ihr allgegenwertiges Wirken ist unausweichlich in den Tiefen der Städte verankert. Filme werden an den spannendsten Stellen im Fernsehen unterbrochen, um uns zu informieren, daß Waschmittel A nun noch weißer wäscht als vor einem Jahr.

Wie gehen wir mit Werbung um?
Mal ehrlich...
Wie häufig höre ich Zitate aus der Werbung. Fest eingeprägte Wortfolgen, entbunden von seinem Produkt, werden im Alltagsleben angewandt, weil der Spruch eben cool ist oder lustig.
Werbung macht bewußt auf "hip" sein.
Andererseits sind manche Werbefilme fast schon Kleinkunst, schön anzusehen.
Daneben gibt es immer noch das monotone Gebet vom noch weißeren, noch besseren, noch billigeren Produkt.
Der Verbraucher muß aufgeklärt werden. Dies geschieht aber eben nicht durch Werbung.
Brian Barth
Durch Werbung soll der Verbraucher zum Kaufen animiert werden. Er soll seiner Marke treu bleiben oder über eine Neuerscheinung informiert werden. Ziel ist es zu verkaufen. Jedoch wird selten das Produkt in der Werbung klassisch verkauft, sprich seine Vorteile präsentiert. Man ist zu abgestumpft für diese Art von Show. Vielmehr versucht man, seine Marke zu polieren, ihr ein Image zu verpassen. So wird der Lifestyle immer wichtiger.

Hier ein Beispiel, das sehr deutlich zeigt, wie man eine Marke polieren kann. Das Energieunternehmen e·on wirbt mit Wasserkraft. Im Spot sehen wir die magere Ferries und einen flippigen Modeverkäufer, der ein Kleid "passend für ihr e·on" anbieten soll. Das Unternehmen e·on wird hierbei als Produkt wie eine Handtasche oder Handy eingesetzt. "Aus was ist denn Ihr e·on?" "Aus Wasser..." "Wasser. Natürlich!" Schönes Wortspiel. Was nicht gesagt wird in diesem Spot ist, das e·on rund ein Drittel aller deutschen Kernkraftwerke besitzt oder daran beteiligt ist. So verbindet man e·on mit Wasser, Quell des Lebens und umweltfreundlich. Geradezu grotesk! Der Verbraucher muß aufgeklärt werden. Dies geschieht aber eben nicht durch Werbung.

Um die Attribute eines Produktes oder Marke darzustellen, gibt es viele Möglichkeiten.
Man arbeitet heute sehr subtil. Die Botschaft soll heißen: "Kaufe dieses Produkt und Du bist erfolgreicher!" Was gut zu unserer von Leistung dominierten Gesellschaft paßt. Neben dem sehr einfachen Bild des Erfolgstypen, der überall ankommt, dessen Leben glatt verläuft, der Manager ist etc. greift man aber gerne auch feinfühliger und leider auch sehr viel unterbewußter an: Der reale Vater, der bei seinem Sohn nicht "landen" kann, weil dieser gerade eine "Kontra-alles-Phase" durchmacht, erfährt von den Werbeschaffenden, welches Produkt er nutzen muß, um die gesuchte Anerkennung seines Sohnes doch noch zu erlangen, z.B. in dem er ein Auto einer bestimmten Marke kauft.

So spielt die Werbung mit unseren Gefühlen. Uns wird nicht nur ein Duschgel dargeboten, sondern damit auch Erfolg bei den Frauen, Anerkennung, Schönheit, Attraktivität versprochen, you name it-you'll get it! Diese Verheißungen substituieren längst das Produkt. Damit wird das Kaufen zum Erwerb von dem, was wir zu Wünschen gedenken.

Gerade unsere Kinder wachsen in dieser Traumwelt auf. In jungen Jahren begegnen sie der Werbung weniger kritisch. Und es lohnt sich durchaus diese zu bewerben, sie verfügen heute über genügend Kapital, sind quängelig genug, um von den Eltern Markenklamotten zu verlangen, sonst ist man nicht mehr in und damit ist dann alles futsch. Und wer mag seinem Kind etwas abstreiten...?

Werbung schafft aber auch ein Potential an Bedürfnis für Sachen, die wir nie vorher benötigten, nun auf einmal müssen wir unbedingt so etwas haben. Eine Art Modewelle rutscht über das Land und wir müssen da mitgehen. (Tamagotchi, Jojo, Kickboards) Müssen wir wirklich?

Warum kaufen wir soviel Müll, im wahrsten Sinn des Wortes, Sachen, die wir eigentlich gar nicht benötigen? Sachen, die einfach nur rumliegen, verstauben, nachdem man sie ein paar Mal benutzt hat. Ökologisch macht dies wenig Sinn. Nur wenn wir den geistigen Wert eines Produktes mit in Betracht ziehen, läßt sich meiner Meinung nach dieses irrationale Verhalten deuten: Das Produkt vermittelt etwas, es hat eine Bedeutung, durch die Werbung definiert. Eventuell würde ein anderes Produkt unsere Erwartungen besser erfüllen, nur liegt dieses nicht auf dem Serviertablett. Es fehlt schlicht an allumfassender Information.
In Zeiten des Internets ist es jedoch durchaus möglich, diese Information, Erfahrungen anderer, einzuholen. Diese sich zu besorgen ist die wichtigste Aufgabe des Verbrauchers. Und er muß sich über die Mechanismen der Werbung im Klaren sein. Er muß sich Werbung in seiner Absicht bewußt ansehen. Er muß verstehen wie sie wirkt, um sich von ihrem Sog zu befreien.

Das Informationszeitalter wird die Werbung stark beeinflussen. Die Lüge der Werbung wird nicht mehr hingenommen. Ein entlarvtes Unternehmen wird Kunden verlieren. Damit muß sich die Art der Kommunikation des Unternehmens ändern. Und damit letztendlich das Unternehmen selbst. Der Verbraucher wird mehr auf die Unternehmen zugehen und "Wissen" wollen, die Frage ist, wie das Unternehmen reagiert. Betet es nur die vorgegebenen Botschaften der PR-Abteilung herunter? Wir sind mittlerweile immun gegen diese Botschaften und fühlen uns verlassen. Wir sprechen von der Jetzt-Zeit. Wenn eine Firma nur Floskeln parat hat, wird sie mich enttäuschen. Spricht sie ehrlich zu mir, reagiert auf mich, entsteht ein Brückenschlag.

Dies ist das Ziel. Auf der einen Seite stehen die aufgeklärten Verbraucher, die sich vor allem durch das Internet zusammengefunden haben. Sie haben die Kaufkraft. Auf der anderen Seite das Unternehmen.
Es kann nicht mehr nur Hochglanzprospekte oder Hochglanzworte verteilen und erwarten, daß wir, die Verbraucher, dafür Geld bezahlen. Es muß uns überzeugen, in dem es auf uns zugeht. Menschlich wird. Und ebenso reagiert.

Diese Idee wird mittlerweile bei manchen Manager-Trainings eingesetzt. Sie basiert auf Cluetrain, einem Buch, und man findet eine Übersetzung des Manifestes bei trans-mission Avatar-Kurse.

Bis sich dieses Manifest in den Firmen herumgesprochen hat, arbeitet eine kleine Organisation überdrüssiger Werbeschaffender (adbusters) daran, die Lügen der Werbung aufzuzeigen und sich dagegen zu mokieren.

Es ist eine neue Zeit gekommen. Auch wenn die meisten Unternehmen dies nicht wahr haben wollen.